Mosaik aus Wald und Wasser auf der Finnischen Seenplatte, das Richtung Norden zunehmend durch Moorflächen unterbrochen wird

Klimawandel im Norden — das Waldgrenzökoton im Fokus der Wissenschaft

Das Wald- und Baumgrenzökoton

2 Das Wald- und Baumgrenzökoton

Die boreale Nadelwaldzone ist ein zirkumpolarer Landschaftsgürtel auf der nördlichen Hemisphäre (Venzke 2008), der mit 19,5 Mio. km² Fläche ca. 13 % der Festlandfläche und 25 % der Waldfläche der Erde umfasst (Treter 1993) und sich primär auf die USA, Kanada, Skandinavien und Russland konzentriert (Venzke 2008). Der Übergangsbereich zwischen dem borealen Wald und der nördlich angrenzenden Tundra kann bei einem Verlauf von 13.400 km Länge und bis zu mehreren hundert Metern Breite als größter Zonenübergang der Erde bezeichnet werden (Callaghan et al. 2002). Die Waldgrenze separiert dabei geschlossenes Waldland von der sogenannten Waldtundra, die durch lockeren Baumbestand und geringe Wuchshöhen gekennzeichnet ist. Die polare nördliche Baumgrenze und obere Baumgrenze repräsentieren die nördlichsten und in der vertikalen Höhenzonierung höchstgelegenen Vorkommen baumartiger Vegetation (Heikkinen et al. 2002). Hauptbaumarten des Wald- und Baumgrenzökotons Finnisch-Lapplands sind die Moor-Birke (Betula pubescens Ehrh.), die Waldkiefer (Pinus sylvestris L.) und die Gemeine Fichte (Picea Abies (L.) H. Karst.) (Kultti et al. 2006), die häufig aus Schneebruch, Wind und Beweidung resultierenden Krüppelwuchs aufweisen (Holtmeier/Broll 2011). Nördlich und oberhalb der Baumgrenze geht der Bewuchs in Heide- und Gebüschvegetation mit einer Dominanz aus Zwergsträuchern, Moosen und Flechten über (Kultti et al. 2006). Aufgrund widriger klimatischer und pedogener Bedingungen erfordert das Wald- und Baumgrenzökoton eine hohe Adaption der rezenten Vegetation, um dauerhaft bestehen und sich reproduzieren zu können (Kallio 1986; Heikkinen et al. 2002; Susiluoto 2010). Die Baumarten der Waldtundra sind zwar in der Lage, lange Kälteperioden zu überdauern, benötigen für die Verjüngung und damit Ausweitung des Bestandes jedoch ein günstiges Zusammenspiel abiotischer Faktoren (Tuhkanen 1986). Je nach regionaler Verortung spielen hier unter anderem die Länge der Vegetations- und Frostperiode, die Temperatursumme, der Wasserhaushalt oder das Licht- und Nährstoffangebot eine Rolle (Heikkinen et al. 2002). In Finnisch-Lappland sind beispielsweise die Wärmesumme (Summe aller Tagesmittel ≥0°C) und Tagesmitteltemperaturen während der Vegetationsperiode als limitierende Parameter zu nennen (Juntunen et al. 2002; Seppä 1996; Heikkinen et al. 2002; Pensa et al. 2005). Die Baumvegetation passt ihre Stoffwechselvorgänge dem Jahresgang der Temperatur an und ist damit in der Lage, diese rascher von der Ausbildung neuer Triebe bis zur Ansamung zu vollziehen als südlichere Vertreter ihrer Art (Partanen et al. 1998; Pensa et al. 2006; Leinonen et al. 1996). Die Vegetationsperiode beträgt daher nördlich des Polarkreises im Durchschnitt lediglich 87 Tage (Seo et al. 2010). Sowohl die ökologische Toleranz, Vitalität als auch das Reproduktionspotential nehmen jedoch mit Annäherung an das nördliche Verbreitungslimit stetig ab (Kavanagh/Kellmann 1986), sodass bei einer Reproduktionswahrscheinlichkeit von nahezu 0 % an der Baumgrenze alle Bäume wenigen Jahrgängen angehören und in ihrer Entstehung auf Jahre überdurchschnittlich hoher Temperaturen hinweisen (Schultz 2000). Dies ist für die Untersuchung klimatischer Veränderungen im Raum ein wichtiges Kriterium (Karlsen et al. 2005, Holtmeier/Broll 2005). Die Gehölzvegetation ist bereits gut an widrige Wachstumsbedingungen angepasst, befindet sich jedoch nach wie vor in einer Nische mit geringem Toleranzbereich, in dem bereits die kleinste Veränderung Reaktionen in Verjüngungsdynamik und Artenzusammensetzung hervorrufen kann (Autio/Heikkinen 2002; Kallio 1986; Varmola et al. 2004; Grace et al. 2002). Ein wärmerer Jahresverlauf infolge klimatischer Erwärmung wird vermutlich dazu führen, dass sich auch nördlich der aktuellen Baumgrenze Baumvegetation ansiedeln und die boreale Zone demnach bis zu einem bestimmten Grad nach Norden ausdehnen kann (Kallio et al. 1985). Bisher wird noch kontrovers diskutiert, ob zyklische und damit regelmäßig wiederkehrende Klimaänderungen oder vielmehr anthropogen bedingte anormale Verschiebungen im klimatischen Gleichgewicht der Erde ursächlich für diese Entwicklung sind. Inwiefern betrifft eine Waldgrenzverschiebung jedoch nicht nur das Ökosystem der Borealis selbst, sondern ist auch in internationalem Kontext relevant?

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