Mosaik aus Wald und Wasser auf der Finnischen Seenplatte, das Richtung Norden zunehmend durch Moorflächen unterbrochen wird

Klimawandel im Norden — das Waldgrenzökoton im Fokus der Wissenschaft

Das Kohlenstoffdepot des Nordens

3 Das Kohlenstoffdepot des Nordens

Aufgrund der geringen Jahresmitteltemperaturen, weitläufiger Permafrostvorkommen und geringer Mineralisierungsraten wird die boreale Zone als größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher bewertet (Strömgren 2001). Insgesamt beträgt die Kohlenstoffbindung hier 559 Gigatonnen (= Gt), was im Vergleich mit einem globalen Gesamtspeicher von 2477 Gt einen beträchtlichen Anteil am weltweiten Klimasystem ausmacht. Die Tropen binden mit 212 Gt die größten Kohlenstoffmengen in der Biomasse und übertreffen damit die Borealis mit nur 88 Gt um nahezu das Doppelte. Dieser C-Speicher unterliegt jedoch aufgrund ökosystemarer Prozesse ständigen Fluktuationen, sodass die Biomasse als kurzfristiger Kohlenstoffspeicher behandelt wird. Sehr viel relevanter für die globale Kohlenstoffbilanz sind jedoch langfristige Speicher in Boden und Eis. Hier lagern die Tropenböden nur etwa 216 Gt Kohlenstoff dauerhaft im Boden ein, etwa die Hälfte des Gesamtspeichers der borealen Zone von 471 Gt C (Newell 2004). Worin ist dies begründet? Limitierende Faktoren, wie periodische Bodengefrornis oder schwer zersetzbare Nadelstreu durch große Mengen an Lignin, Harzen und Gerbstoffen hemmen den Umsatz der Streuauflage, welche verglichen mit der Baumschicht etwa fünfmal so viel organische Substanz (Venzke 2008) und Umsatzraten von 50-500 Jahren in der nördlichen Taiga aufweist (Treter 1993). Zum anderen gelangen im borealen Waldbestand nur etwa 5 % der eingehenden Strahlung zum Waldboden und reduzieren den Bodenwärmestrom verglichen mit Standorten ohne dichte Vegetationsdecke um etwa 2°C. Die Bodengefrornis reicht hier 20–30 cm tiefer als unter Offenlandbedingungen (Walter/Breckle 1999) und begünstigt die Ausbildung oder den Erhalt des Permafrostbodens, der große Mengen Kohlenstoff speichert. Bei Änderungen der Lufttemperaturen, Waldbränden oder veränderten Einstrahlungsbedingungen entwickelt sich jedoch eine Auftauschicht im oberen Bereich des Permafrostes von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern (Treter 1993), deren stau-*nasse und anaerobe Bedingungen prädestiniert für die Akkumulation organischer Substanz bis zur Torfbildung sind (Treter 2000).
Die Böden der Borealis sind auf 259 Mio. ha Fläche durch Feuchtgebiete überdeckt und vereinen 90 % der weltweiten Moorflächen (Abb. 3) (Treter 2000). Ein natürliches boreales Moor, welches sich noch im Wachstum befindet, fungiert in der Regel als CO2-Senke und Methan-Quelle (Bork/Hagedorn 2006). Laut Gorham (1991) werden 455 Mrd. t C in den borealen Hoch- und Niedermooren gespeichert, etwa ¼ des gesamten in lebender organischer Substanz gespeicherten Kohlenstoffs (Venzke 2008). Auf der anderen Seite stammen etwa 10 % des jährlichen atmosphärischen Methangehaltes aus borealen und subarktischen Feuchtgebieten, was in der globalen Klimabilanz nicht zu unterschätzen ist (Bartlett/Harris 1993). Das flächenmäßige Gleichgewicht zwischen Permafrostboden und Feuchtgebieten ist daher entscheidend für die Treibhausgasbilanz der borealen Zone.
Eine Zunahme der Vegetationsbedeckung durch Verschiebung der Waldgrenze nach Norden und eine höhere Individuendichte am Standort könnte der Vermoorung durch Degradierung des Permafrostbodens entgegenwirken. Gleichzeitig kann ein Zuwachs an Biomasse, Streuanfall und Feinwurzelproduktion den Kohlenstoffspeicher vergrößern (Alm 1997). Auf der anderen Seite verändert sich die Albedo, die Rückstrahlung der Erdoberfläche bei veränderter Vegetationsbedeckung und zeitlich versetzter Schneeschmelze, was wiederum eine positive Rückkopplung für das Klimasystem bedeuten würde (Zhang et al. 2013; Wramneby et al. 2010; Grace et al. 2002; Miller/Smith 2012). Sowohl die Komplexität des Wirkungsgefüges der Waldtundra als auch die Großräumigkeit der Zone erschweren eine verlässliche Bewertung der derzeitigen Situation und zukünftiger Szenarien, wie im Verlauf der Darstellung noch zu erläutern sein wird. Wichtig sind daher ein fundiertes Verständnis aller ökosystemarer Prozessvorgänge sowie eine Präzisierung und Ausweitung der Erfassungsmethodik, um von der Mikroskala des Individuums auf die Makroskala des globalen Klimasystems schließen zu können. Ein regionaler Forschungsschwerpunkt liegt dabei nördlich des Polarkreises im Wald- und Baumgrenzökoton der Waldschutzzone Finnisch-Lapplands, welcher die derzeitige Reaktion des Waldes auf Klimaänderungen anhand der Verjüngungs- und Verlagerungsdynamiken der Waldkiefer untersucht und einmal exemplarisch vorgestellt werden soll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert