An dieser Stelle sollten nun einige Zeilen zu dem kommen, was euch liebe LeserInnen in der Rubrik Geographisches erwartet. Wir hätten ein paar Sätze zu den 2-3 Texten geschrieben, versucht Brücken zwischen ihnen zu bauen und euch dazu ermutigt, ebenfalls für eine nachfolgende Ausgabe einen Beitrag zu schreiben. Innerhalb der Redaktion hätten wir uns auf die Schulter geklopft und uns gefreut, dass wir wieder eine Ausgabe veröffentlichen konnten. Tja, hätte, hätte, Fahrradkette!
Jede Ausgabe hat ihre Besonderheiten. Keine Ausgabe ist wie die andere und jede einzelne zeugt von anderen Erfolgen und Herausforderungen, aus denen es zu lernen gilt. Nun, in dieser Ausgabe dürfen wir lernen, wie es funktioniert unsere Rubrik sinnvoll zu füllen, ohne euch einen studentischen Beitrag präsentieren zu können.
Im Folgenden werden wir euch also aus unserer redaktionellen Sicht vom Spagat zwischen studentischen Arbeiten und wissenschaftlichen Artikeln berichten und aufzeigen, welche Herausforderungen wir nach mehr als fünf Jahren sehen, einen Artikel zu veröffentlichen. Dabei gehen wir auf mehrere Aspekte ein, mit denen wir in der Redaktion immer wieder zu tun haben. Wir wollen euch LeserInnen und AutorInnen bewusst machen, welch langer Weg bereits zurückgelegt wurde, wenn wir an dieser Stelle einen wissenschaftlichen Artikel publizieren. Die wohl größten Hürden sind zum einen die Schwierigkeiten im Umgang mit den Gutachten, die für jeden Artikel erstellt werden. Zum anderen scheint der Unterschied zwischen dem Schreiben einer Hausarbeit und einem wissenschaftlichen Artikel nicht immer ganz klar zu sein. Des Weiteren wird der Zeitaufwand häufig unterschätzt, was dann dazu führt, dass ein eigentlich vorgesehener Artikel in den letzten Zügen dann doch nicht mehr veröffentlich wird. Aber, und das ist ein Prozess von dem Studierende häufig nur wenig mitbekommen, das „Scheitern“ und die z.T. harsche, z.T. aber auch positive Kritik im Wissenschaftsalltag stellt einen wichtigen Aspekt intellektueller Kommunikation dar.
Der Anlass, auf diese Aspekte einzugehen ist, dass der studentische Artikel, der für die vorliegende Ausgabe vorgesehen war, leider nicht durch das Bewertungsverfahren gekommen ist. Wie es für Veröffentlichungen in Fachzeitschriften üblich ist, werden auch eure Artikel peer-reviewed, also von externen WissenschaftlerInnen begutachtet. Jeder studentische Beitrag in der Rubrik Geographisches durchläuft ein zweistufiges Reviewverfahren, d.h. wir suchen für jeden Beitrag einen Dozierenden im jeweiligen Themenbereich, der den Artikel auf seine Wissenschaftlichkeit hin begutachtet. In dem Bewertungsbogen, den die Dozierenden ausfüllen und der dann auch an die AutorInnen zurückgeht, werden Aspekte der wissenschaftlichen Qualität wie Originalität, Präsentation und Beantwortung der Fragestellung, Argumentationsstrang und Methoden, sowie Aspekte der redaktionellen Qualität wie Aufbau, Rechtschreibung/Schreibstil, Umfang und Qualität der Bibliographie begutachtet. Weiter werden die GutacherInnen angehalten, zu prüfen, ob die Thesen angebracht sind oder ob Alternativen mitgedacht werden sollten. Die Gesamtbeurteilung entscheidet dann, ob der Artikel publikationswürdig ist oder was der/die AutorIn beachten muss, um den Artikel publikationswürdig zu machen.
Nach der ersten Beurteilung haben die AutorInnen vier Wochen Zeit, ihren Artikel zu überarbeiten und wieder einzureichen. Das erste Feedback, das sie erhalten, ist meistens nicht das, was sie erwartet haben. Selten bekommen Studierende eine derart detaillierte konstruktive Kritik zu ihren vorherigen Arbeiten. Die Kritik kann niederschmetternd sein, demotivieren und zur Aufgabe bewegen. Doch ist dieser erste Frust erstmal überwunden, öffnet sich der Blick für das Potenzial, dass in solch einem expliziten wie fundierten Feedback steckt und letztlich zu wirklichen Verbesserungen des Artikels führt, wie die bisher gedruckten Artikel zeigen. Es ist die Aufgabe der Redaktion, mit euch gemeinsam am Artikel zu arbeiten und die Verbesserungsvorschläge im Gutachten umzusetzen, um letztlich eine Publikationswürdigkeit zu erreichen. Doch bei einigen Beiträgen fällt auch das zweite Gutachten, welches die Qualität des Artikels nach der ersten Überarbeitungsschleife bewertet, negativ aus. Das heißt in letzter Konsequenz, dass der Gutachter von einer Veröffentlichung des Artikels abrät. Das ist bei entgrenzt schon einige Male passiert. Doch auch für eure eigenen Dozierenden, Professoren und Professorinnen ist das ein Teil der Normalität, sei es bei Publikationen in Journals und Sammelbänden oder beim Schreiben von Drittmittelanträgen. Die Gefühle, die dann aufkommen, sind alles andere als angenehm. Man möchte alles hinschmeißen, fühlt sich entweder persönlich angegriffen oder zweifelt an sich selbst, an der eigenen Fähigkeit zu schreiben oder gar daran, in der Wissenschaft bestehen zu können. Vor allem dann, wenn der Werdegang nach dem Masterstudium an der Uni fortgesetzt werden soll. Scheinbar scheint alles nur schlecht zu sein. Kommentare, die das belegen, zieren den Text, den man vor der Einreichung unzählige Male gelesen, korrigiert und verändert hat. Manchmal haben Freunde und Familie den Text gegengelesen und ihren Segen gegeben; man ist sich sicher, etwas Gutes geschrieben zu haben, das raus in die Welt muss. Und dann kommt dieses Gutachten von einem/r anonymen ReviewerIn und die Mundwinkel gehen nach unten. Die Wenigsten unserer AutorInnen sind zuvor durch so einen Prozess gegangen, einer der in der Wissenschaft Alltag ist und jenseits der Lehre stattfindet. Jedes Journal hat seine unterschiedlichen Richtlinien und sie variieren in ihrer Strenge, aber auch in ihrer Offenheit. Hausarbeiten werden i.d.R. nicht derart streng bewertet, sondern meistens geben nur Noten Hinweise darauf, dass man etwas richtig oder falsch gemacht hat, sei es eine (un)schlüssige Argumentation oder Formalia.
Doch wie soll man nun mit einem Gutachten umgehen? Wir raten unseren AutorInnen, sich erst einmal das Gutachten genau durchzulesen und zu versuchen, die Argumente der Kritik nachzuvollziehen. Danach lohnt es sich, das Ganze erst einmal sacken zu lassen und über die Kritik nachzudenken. Auch wenn man nicht derselben Meinung ist wie der/die GutachterIn, so kann aber auf die kritisierten Punkte eingegangen und auch dagegen argumentiert werden, um somit die wissenschaftliche Diskussion zu bereichern. Wenn die Kritik berücksichtigt wird, erhält der Artikel mehr Tiefe und verbessert sich unserer Erfahrung nach ungemein. Dies erfordert aber die Fähigkeit, die Kritik zu akzeptieren und sich auf sie einlassen zu können, was vor allem bedeutet, sie nicht persönlich zu nehmen, nicht gleich alles in Frage zu stellen oder gar eine Trotzhaltung einzunehmen. Es ist einfacher, den/die GutachterIn als unqualifiziert abzustempeln und sich unverstanden zu fühlen. Allein zu einer Veröffentlichung führt dies vermutlich nicht. Gutachten sollten vielmehr als konstruktive Kritik verstanden werden. Eure Beiträge werden von Personen gelesen, denen ihr nicht nahe steht, die euch nicht kennen und wirklich nur eure Artikel bewerten. Die Kritik ist also nicht als ein Zeichen des Scheiterns zu verstehen, sondern als eine Möglichkeit, es besser zu machen. In wenigen Fällen kam es allerdings vor, dass das zweite Gutachten von einer Publikation abriet, da die Anforderungen an wissenschaftliche Artikel noch immer nicht erreicht werden konnten. Über diese Entscheidungen kann die Redaktion sich nicht hinwegsetzen, denn dies würde letztlich bedeuten das Review-Verfahren überflüssig zu machen. Dadurch verlören wir jedoch nicht nur die Unabhängigkeit von Text und Person, sondern eben auch das, worum es in diesem kleinen Aufsatz geht, nämlich die Chance, uns durch fundierte und explizite Kritik von außen weiterentwickeln zu können.
Doch bevor die Artikel überhaupt in das Bewertungsverfahren kommen, erhalten wir Abstracts, gut bewertete Hausarbeiten oder einfach nur die Ankündigung, dass ein Artikel kommen wird. Abstracts sind immer von Nöten, weil sie die Grundlage für die Auswahl der GutachterInnen darstellen, die dann den Prozess der Bewertung übernehmen. Manchmal werden bei entgrenzt Hausarbeiten eingereicht, die zwar gut oder sehr gut bewertet wurden, doch nicht den Anforderungen eines wissenschaftlichen Artikels entsprechen. Wir versuchen deshalb, bereits im Voraus Studierende darin zu unterstützen, eine präzise Fragestellung zu entwickeln, die mit geographischen Methoden geprüft und schlüssig argumentiert beantwortet werden kann. Wir merken immer wieder, dass diese grundlegenden Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten häufig nicht erfüllt werden. Hausarbeiten und wissenschaftliche Publikationen sind zwei verschiedene Paar Schuhe und wenn Hausarbeiten eingereicht werden, gilt es, diese so umzubauen, dass sie den Anforderungen eines wissenschaftlichen Artikels gerecht werden. Eine Hausarbeit z.B. zum Thema „Sinn und Zweck der Bevölkerungsgeographie im Allgemeinen“, wäre eher gleichzusetzen mit einer Zusammenfassung einer Disziplin der Geographie und dient dazu einen Überblick zu bekommen. Eine präzise Fragestellung – für einen wissenschaftlichen Artikel unerlässlich – ist das eher nicht. Zielführender im Sinne wissenschaftlicher Publikationen sind da eher Themen wie beispielsweise „Umgang mit Migrationsdaten innerhalb von Bevölkerungsstatistiken und deren Veränderung“. Ein Resultat unsererseits auf diese Schwierigkeiten zu reagieren und euch zu unterstützen, ist unsere Reihe „die A’s und O’s des wissenschaftlichen Arbeitens“, in der wir einen anderen Weg gehen als die typischen Lehrbücher zu diesem Thema. Wir versuchen, mehr die Herausforderungen anzusprechen und Tipps zu geben sowie näher an den Belangen der Geographie-Studierenden zu sein.
Ein anderes Problem ist das Zeitmanagement. Alleine mit angekündigten aber nicht fertiggestellten Artikeln ließen sich vermutlich die nächsten drei Ausgaben von entgrenzt füllen! Bei den vielen Anforderungen, denen Studierende als FreundIn, Familienmitglied, als ArbeitnehmerIn etc. gerecht werden müssen, fehlt oft die lang anhaltende Motivation, einen Artikel von bis zu zwölf Seiten zu verfassen. So ein Artikel schreibt sich nicht mal eben zwischen Tür und Angel und vom Call for Paper bis zur Veröffentlichung vergeht schon mal gut und gerne ein Jahr! Eine der größten Herausforderungen beim Schreiben eines Fachartikels ist nicht zu Letzt, dass man es quasi in der Freizeit macht oder besser gesagt in der spärlichen Zeit, die nach dem Füllen von Studien- und Bankkonten noch übrig ist.
Auch für dieses Editorial braucht es Zeit, die ich mir mal wieder auf den letzten Drücker nehme und die vermutlich dann woanders wieder fehlt. Ich sitze im Zug irgendwo zwischen Kalamazoo und Chicago, um dort am AAG (Association of American Geographers) teilzunehmen – und der Editor bei schönstem Sonnenschein in seinem miefigen Büro (Anm. d. Red.), dabei denke ich schon länger über diesen Text nach, ohne bisher die Zeit oder die Motivation gefunden zu haben, ihn wirklich zu schreiben. Und am Ende der Zugfahrt wird er auch noch nicht fertig sein. Euch geht es da wahrscheinlich nicht anders. Auch bei vollem Engagement für ein Projekt lässt sich das Einschleichen der „Aufschieberitis“ nicht immer ganz vermeiden. Schwierig wird es dann oft nochmal, wenn der Text nach der ersten Begutachtung überarbeitet werden soll. Gefühlt ist der Text, den man nach langer Arbeit endlich eingereicht hat, ja eigentlich schon fertig und man wendet sich neuen Dingen zu. De facto ist die Einreichung einer ersten Version jedoch nicht mehr als ein erster – wenn auch elementarer – Zwischenschritt und sollte möglichst auch so gesehen werden. Sonst leidet tatsächlich die Motivation, die Deadline rückt näher und am Ende wird es knapp. Das kann gut gehen, aber auch gründlich daneben. So kann es passieren, dass am Ende dann doch kein Text zustande gekommen ist, auch wenn der Wille ursprünglich da war.
Im ganzen Prozess, der hier gerade beschrieben wurde, dürfen wir auch die GutachterInnen als dritte Akteursgruppe nicht vergessen. Sobald wir eure Abstracts haben, begeben wir uns auf die Suche nach einer qualifizierten Person. Wir schreiben E-Mails, führen Gespräche etc., um die richtige Person zu finden. Wir bekommen Zu- und Absagen. Der Grund für Absagen ist immer der hohe „work-load“. entgrenzt spielt da nunmal keine wichtige Rolle, hilft nicht bei der eigenen Forcierung der wissenschaftlichen Karriere und lenkt einfach nur ab. Häufig müssen wir mehrere Personen anschreiben bis wir jemanden gefunden haben, der Zeit und Muse findet einen Beitrag zu betreuen. Eine Zusage führt aber leider nicht automatisch zu einem reibungslosen Ablauf. Wir schreiben Erinnerungsnachrichten, versuchen es in besonderen Fällen mit Telefonaten und Hartnäckigkeit. Irgendwie haben wir es immer geschafft, dass am Ende der Beitrag doch pünktlich im Endlektorat gelandet ist. Den beschriebenen Druck, den unsere AutorInnen zum ersten Mal erleben, ist für unsere GutachterInnen Alltag. Kein Urlaub vergeht, in denen nicht E-Mails von Studierenden und Kollegen beantwortet werden sollen, in denen es nicht nur um die Bewertung von Hausarbeiten, sondern auch interne Institutsangelegenheiten, Begutachtungen und kommende Publikationen geht. So traurig es für uns auch ist, entgrenzt steht noch nicht einmal auf der Prioritätenliste unserer GutachterInnen. Um so mehr freuen wir uns, dass wir unsere bisherigen GutachterInnen von unserem Projekt überzeugen konnten.
Wenn es aber ein Artikel geschafft hat, dann kann man darauf auf jeden Fall stolz sein. Zum einen ist man trotz Deadlines, Gutachten und verschiedenen Anforderungen nicht nur uns, sondern auch dem/der GutachterIn – also gestandenen ExpertInnen auf dem fraglichen Gebiet – gerecht geworden. Zum anderen – und das ist noch viel wichtiger – ist aus dem, was zuvor nur ein Gedanke war, ein schlüssig formulierter und gut argumentierter wissenschaftlicher Artikel geworden. Kleine und größere Hürden wurden genommen und nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung angesehen. Man ist durch einen langwierigen Prozess gegangen, der häufig allein am Schreibtisch ausgefochten wurde. Und viel wichtiger, man hat einen Bereich betreten, der über die Lehre hinaus geht und den wissenschaftlichen Alltag unserer Dozierenden und Professoren ausmacht. Und glaubt mir, der Stolz, seinen ersten eigenen Artikel in einem Publikationsmedium wiederzufinden, ist gigantisch!
Leider können wir euch diesmal also keinen studentischen Beitrag bieten, auch für uns ein Moment des Scheiterns. Aber wir hoffen, dass sich wenigstens unser Engagement gelohnt hat, stattdessen diesen Text geschrieben zu haben, auch wenn er einen Fachartikel sicher nicht ersetzen kann.
Wir freuen uns daher umso mehr, dass wir einen Artikel einwerben konnten, in dem zwei Fachfremde mal ihre Sicht auf die Geographie schildern. Die zwei Erlanger Politologen Alexander Niedermeier und Wolfram Ridder betiteln ihren Artikel „Zwischen Space und Place – Auf der Suche nach einem gemeinsamen Territorium: Reflexionen über das Verhältnis von Politikwissenschaft und Geographie“. Darin schildern sie, inwiefern Politik überhaupt eine Bedeutung für Geographie spielt und ob die Geographie, besonders die politische Geographie, sich nicht eine Selbstlegitimierung aneignet. Trotz einer gewissen disziplinären Nähe ist das Verhältnis von Politikwissenschaft und Geographie nicht frei von Spannungen, die unsere Autoren im nachfolgenden Artikel kontrastieren.
Mit Vorgriff auf die zehnte Ausgabe können wir euch aber schon einmal mitteilen, dass mehrere Artikel derzeit im Review-Verfahren sind und wir sehr hoffen, euch diese in der zehnten Ausgabe präsentieren zu können. Und natürlich kann ein Editorial nur damit enden, dass wir hoffen, in Zukunft euch und eure Beiträge durch ein Review-Verfahren zu begleiten. Wir möchten euch auch gerne ermutigen, eure Ideen für einen Artikel zu verwirklichen und zu publizieren. Dafür schaffen wir das Medium entgrenzt und dafür ist die Redaktion da, euch bei eurem Vorhaben zu unterstützen.
Viel Spaß beim Lesen,
Cosima Werner aus dem Zug und Ingo Haltermann aus seinem Büro für Geographisches