Studieren/promovieren mit Kind – Herausforderungen und Vereinbarkeit

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Ein Beitrag von Julia Grieshammer, der in der 9. Ausgabe von entgrenzt erschienen ist.

Windeln wechseln, Kinderschwimmen, Kita-Zeiten und Geduldsproben: Eine Menge neuer Situationen und Herausforderungen kommen auf einen zu, wenn man ein Kind bekommt. „Nebenbei“ wollen auch noch anspruchsvolle wissenschaftliche Arbeiten geschrieben werden, man muss Lehrveranstaltungen besuchen und in einigen Fällen auch noch arbeiten. Wie (gut) kriegt man das tatsächlich hin? Wo und wie viele Kompromisse muss man machen? Wie ist die Situation speziell in der Geographie? Und wie sieht es mit den Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus? Ist das Studium oder die Promotion letztendlich ein guter Zeitpunkt für ein Kind?
Auf Anregung der Eltern aus unserer Redaktion hat entgrenzt am 10. Februar 2015 in Erlangen studierende und promovierende Eltern zu einer Diskussion um dieses Thema eingeladen. Folgende Mütter und Väter haben uns interessante Einblicke in ihren Alltag mit Kind und ihren Ansichten zu obigen Fragen gewährt. Die Diskussion wurde in Rücksprache mit den Teilnehmenden von Julia Grieshammer zusammengefasst und verschriftlicht.

Björn (29): ein Sohn (17 Monate), Tomte, geboren während Björns Masterarbeit; promoviert mit Stipendium am Institut für Geographie, Freundin studiert noch

Christian (32): eine Tochter (2 Jahre), Luzi; seit 4 Jahren am Institut für Geographie, promoviert am Institut für Geographie

Sofrony (29): ein Sohn (fast 2 Jahre), Johan; Masterstudent am Institut, Frau berufstätig

Nora: zwei Söhne (6 & 8 Jahre), den ersten im Bachelorstudium bekommen, den zweiten kurz vor dem Masterstudium; arbeitet in Nürnberg und promoviert extern

Bettina (31): ein Sohn (4 Jahre), mitten im Studium bekommen; studiert Lehramt für Englisch & Erdkunde und schreibt gerade an ihrer Zulassungsarbeit, hat länger pausiert

Sandra: ein Sohn (11 Wochen), Felix; studiert Lehramt für Geographie & Deutsch

Tim (41): ein Sohn (6½ Jahre); Post-Doc; Sohn geboren in der Endphase seiner Dissertation und kurz vor Promotionsbeginn seiner Frau, sie ist jetzt fast fertig

Corinna (36): zwei Töchter (1½ und 3 Jahre); mit 27 mit Studium angefangen, schreibt gerade an ihrer Masterarbeit und ist bereits berufstätig

Annika (29): eine Tochter (fast 2 Jahre), Ronja, geboren während Annikas Masterarbeit; promoviert am Institut für Geographie

Aus dem entgrenzt-Team:

Cosima (28): keine Kinder; seit 4 Jahren bei entgrenzt

Jan (28): keine Kinder; promoviert am Institut für Geographie

Studium/Promotion mit Kind – eine bewusste Entscheidung?

Eine sehr persönliche Frage als Einstieg, die mehrheitlich mit einem klaren „Ja“ beantwortet wird. Ob aus verschiedenen Lebensplanungsgründen heraus oder weil einfach wie zum Beispiel bei Björn „der Wunsch größer war als die Situation“, die Entscheidung wurde meist bewusst getroffen. Björn betont dabei aber auch stark das Vertrauen, dass „schon alles funktionieren wird“, welches man mitbringen sollte und den familiären Rückhalt.

Allerdings wird von Sandra und Corinna berechtigterweise angemerkt, dass man auf den genauen Zeitpunkt oft selber nicht viel Einfluss nehmen könne, da es durchaus lange dauern kann, bis es endlich klappt. Auch Eltern und Freunden überhaupt erst einmal zu erklären, dass oder wieso man sich gerade jetzt ein Kind wünscht, obwohl man – aus der Perspektive vieler Außenstehender – in einer „blöden Situation“ ist, sei nicht einfach. Aus Sicht der TeilnehmerInnen war das Studium bzw. die Promotion aber eben kein schlechter Zeitpunkt, Eltern zu werden: Zumindest im Studium, aber auch bei Beschäftigung im wissenschaftlichen Bereich ist man wesentlich flexibler als im Beruf bzw. anderen Berufen, kann zur Not auch mal eine Veranstaltung ausfallen lassen, hat Semesterferien und auch sonst immer mal Luft zwischen Veranstaltungen. Sofrony sieht gerade den Berufseinstieg als eine eher problematische Phase um ein Kind zu bekommen, da vor allem in der Wissenschaft befristete Arbeitsverträge an der Tagesordnung sind und man Schwierigkeiten hat, als Paar überhaupt an einem Ort Stellen zu finden. Auch Corinna sieht einen Vorteil darin, dass die Kinder beim Berufseinstieg dann schon etwas größer sind und man dem/der (potentiellen) ArbeitgeberIn wieder besser zur Verfügung steht. Nora, deren Kinder sechs und acht Jahre alt sind, hat viele Freundinnen, die jetzt im Beruf fest eingebunden sind und überlegen, den Schritt zu wagen. Für sie wäre die Frage auch noch aus anderer Sicht zu sehen, nämlich ob man so jung – sie war beim ersten Kind im Bachelorstudium – diesen Schritt macht, denn man ist dann eben nicht mehr nur StudentIn, sondern auch Mutter bzw. Vater, übernächtigt, kann nicht mit KommilitonInnen feiern gehen oder viel unternehmen.

Eine wesentliche Schwierigkeit beim Studium ist laut Sofrony auch die Finanzierung: Wenn man das Studium „etwas lockerer“ und sich dafür viel Zeit für sein Kind nimmt, kommt man schnell über die Regelstudienzeit hinaus, was zumindest bei wenig oder keiner finanziellen Unterstützung von der Familie zum Problem wird, trotz verschiedener Regelung wie z.B. dass man für die Kindererziehung ein Urlaubssemester nehmen kann, aber trotzdem Leistungen einbringen darf. Allerdings schließt z.B. BAföG Studierende in einem Urlaubssemester aus und wird nur in geringerem Umfang gezahlt, wenn wegen Kindererziehung die Regelstudienzeit überschritten wird.

Organisation ist alles – oder doch nicht??

Wie bekommt man nun Kind und Studium bzw. Promotion unter einen Hut? Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass man sich auf jeden Fall ganz anders organisieren muss als ohne Kind, wo man (zumindest als Studierende) seinen Tag meist eher spontan und situativ gestalten kann. Tim findet, durch ein Kind muss man ganz klare Strukturen in den Alltag einbringen, was wiederum aber auch hilft, seine Arbeit besser zu meistern, was von daher also durchaus auch für den Arbeitsalltag einen Gewinn darstellen kann. Auch Christian erzählt, dass er und seine Frau – zusammen arbeiten sie 80 Stunden in der Woche – sich sehr disziplinieren müssen, um zum Beispiel mit den Kita-Zeiten zurechtzukommen. Er konnte es so einrichten, dass er pro Woche drei lange und zwei kurze Tage im Institut arbeitet. Dabei geht es ihm ähnlich wie Corinna bei ihrer Masterarbeit und wahrscheinlich jedem von uns: Es gibt nun einmal Phasen, in denen es einfach „läuft“ und andere, in denen es eben nicht so läuft und man sich länger einlesen muss. Mit diesen knappen Zeitfenstern stößt man dann schon mal an seine Grenzen bzw. kann Phasen, in denen man inspirierter und leichter arbeiten könnte, nicht voll ausnutzen, da man eben noch andere Verpflichtungen hat. Auch Nora berichtet von dem Gefühl, dass sie die Arbeit in ihrem Kopf oft mit nach Hause trägt: Man ist nie fertig, lässt seine Arbeit nicht im Büro und hat trotzdem das Gefühl, noch mehr lesen und aufnehmen zu können und zu wollen, und auch irgendwie immer ein bisschen „hinterher zu hinken“ gegenüber MitstreiterInnen ohne Kind. Der größeren Flexibilität, die die Arbeit in der Wissenschaft bietet, stehen als Kehrseite immer die höheren Erwartungen und Anforderungen gegenüber, die sowohl die Arbeit als auch man selbst an sich stellt. Tim formuliert treffend: „Ich sehe immer die vier großen Felder: Arbeit, Kind, Partnerschaft und Haushalt. Man kann sich aussuchen, welches drunter leidet, aber man kriegt es nie hin, dass alle gleich gut laufen.“ Das Feld des eigenen Ichs, ergänzt von Christian, verliert man dabei auch leicht mal aus den Augen. Annika hat ebenfalls ihren Alltag gut strukturiert oder, wie sie es beschreibt, „in kleine organisatorische Häppchen“ eingeteilt, alles funktioniert. Trotz aller Organisation und Disziplin bleibt aber doch immer etwas von der Zeit für die Familie auf der Strecke, denn ohne es zu merken, hat man schnell ein paar Tage lang gar nicht wirklich miteinander geredet außer über eben jene täglich zu treffenden Absprachen. Zumindest zu den Stoßzeiten wird das Leben manchmal zu einem reinen Funktionieren, allerdings sieht das in den Semesterferien schon wieder ganz anders aus, findet Christian.

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