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Mehr Feministische Geographie!

Ein Beitrag von Leona Faulstich aus Hamburg, der in der 9. Ausgabe von entgrenzt erschienen ist.

Feministische Geographien sind im Kommen: Lange aus den Curricula der universitären Geographie verbannt, finden Seminare und Workshops zu feministisch-geographischen Themen zurzeit großen Anklang bei Studierenden. Neben einer Seminarreihe, welche parallel in mehreren Städten im Wintersemester 2014/15 angeboten wurde, fand im Februar dieses Jahres nach über zehn Jahren erstmals wieder ein feministisches GeographInnen-Treffen statt. Mit überschäumendem Erfolg: Die Anmeldezahlen für das Treffen übertrafen alle Erwartungen und sprengten die Kapazitäten des Seminarhauses; die über 40 Teilnehmenden waren von dem Austausch und der intensiven thematischen Arbeit begeistert.

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Auf dem GeographInnentreffen traf sich auch der AK Geographie und Geschlecht (http://www.ak-geographie-geschlecht.org/), ein Netzwerk von WissenschaftlerInnen, die sich mit der feministischen Geographie verbunden fühlen. Neben der Evaluation der vergangenen Projekte standen auch Planungen für zukünftige Aktivitäten auf dem Programm. Als bedeutsame Perspektive und Querschnittsthema in der Geographie müssen feministische Zugänge endlich auch in der universitären Lehre eine zentrale Stellung bekommen.  Der Erfolg der feministisch-geographischen Seminarreihe im vergangenen Wintersemester hat gezeigt, dass gerade nach solchen Lehrangeboten eine große Nachfrage besteht. Zukünftig ist es geplant, Feministische Geographien an möglichst vielen Universitätsstandorten als reguläre Lehrveranstaltungen zu verankern.

4 Tage feministische Geographie pur

„Denn man reist doch wahrlich nicht, um auf jeder Station einerlei zu sehen und zu hören.“

Mit diesen Worten begrüßte uns Goethe und der Bahnhof in Gotha auf der Reise nach Tabarz zum Feministischen GeographInnentreffen – und eine Reise voller Abwechslungen sollte es wahrlich werden. Vom 19. bis zum 23. Februar dieses Jahres kamen 34 Studierende, DoktorandInnen und Post Docs zusammen, um das seit 2004 nicht mehr existierende feministische GeographInnentreffen wieder zu beleben.

Dem Wochenende vorangegangen war ein Seminar zur Feministischen Geographie, welches in fünf deutschen Städten im Wintersemester 2014/2015 parallel angeboten wurde. Das Seminar war für viele Teilnehmende der erste Schritt, sich den Themen Feminismus, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterperspektiven und Gender aus einer geographischen Perspektive zu nähern.  Abschluss der Seminarreihe war eben dieses Vernetzungstreffen in Waltershausen, nahe Gotha. Ein wunderschönes Tagungshaus, mit hervorragender Verpflegung und mitten in einer weißen Winterlandschaft gelegen, bot optimale Voraussetzungen für drei produktive Tage. TeilnehmerInnen aus Deutschland und der Schweiz, nicht nur aus der Geographie, sondern auch aus anderen Fachrichtungen, kamen bei diesem Treffen in einen anregenden Austausch zu völlig diversen Themen – innerhalb und jenseits der Geographie.

Der Freitag begann mit Textarbeit. Anhand von vorab gelesenen Texten wurden Grundlagen der Feministischen Geographie diskutiert. Diese Diskussionsrunden sollten einen ersten Einblick in grundlegende Theorien und ‚Klassiker‘ der feministischen Geographie gewähren und das Themenfeld eröffnen, da alle mit einem unterschiedlichen Kenntnisstand und anderen Perspektiven zur thematischen Arbeit beitrugen. Am Nachmittag bot ein gemeinsames Kolloquium  Raum für die Vorstellung von Forschungsprojekten und Abschlussarbeiten, zum Teil mit feministischem Bezug, zum Teil ohne. Die Präsentationen gaben einen Einblick in die Arbeit der TeilnehmerInnen und boten gleichzeitige die Möglichkeit eines ausführlichen Feedbacks.

Zum Abschluss dieses Tages wurde der Film „Cycles of Care“ gezeigt. Der Film berichtet über philippinische Frauen, die nach Israel reisen, um dort als Haushälterinnen oder Pflegepersonal zu arbeiten und das verdiente Geld nach Hause schicken, wo sie damit ihre Familien versorgen. Ein beeindruckender Film, welcher eine Diskussion um die eigene Perspektive und die Sprechposition hervorrief und thematisch auch am kommenden Tag aufgegriffen wurde.

Der Samstag war voller kreativer Energie und bestand aus dem „Bar Camp“ – einer Methode, bei der die Gruppe eigene thematische Vorschläge entwickelt und anschließend in Kleingruppen selbstständig zu diesen Themen arbeitet – mit oder ohne Zielprojekt. Die Gruppen befassten sich mit feministischer Ökologie, feministischer Kapitalismuskritik, New Materialism, Gender und Stadt und Care-Arbeit. Heraus kamen unglaublich diverse und spannende Ergebnisse, die allesamt viel Potential für weitere Arbeiten boten.

Der Sonntag gab Raum für eine Diskussion um die Wiedereinführung beziehungsweise Fortsetzung dieser Treffen. Allen war in diesen Tagen die Bedeutung der angesprochenen Themen – und vieler weiterer – für die geographische Forschung deutlich geworden und bei den TeilnehmerInnen bestand ein großes Interesse, weiter daran zu arbeiten. Vor allem die Institutionalisierung der Seminare zur Feministischen Geographie stand im Vordergrund und die Etablierung der jährlichen Treffen wie diesem. Eine neue Gruppe wird daran arbeiten, das Treffen im nächsten Jahr vorzubereiten. Zusätzlich soll es die Möglichkeit geben, sich online zu vernetzen und Inhalte zu teilen. So soll auch in den Städten, in denen keine Seminare zu feministischer Geographie angeboten werden, Möglichkeiten der Partizipation geschaffen werden, beispielsweise in studentischen Lesekreisen oder selbst organisierten Seminaren – alles ist möglich.

Es waren knapp vier Tage voller thematischer Überraschungen und Bekanntheiten, tiefgründiger Diskussionen und entspannter Gespräche, Streitpunkte und Gemeinsamkeiten, bekannter Gesichter und neuer Geister und vor allem dem gemeinsamen Interesse für ein Thema, was sowohl Herzenssache als auch Politikum ist.

Wir hoffen sehr, dass es weiter so erfolgreich vorangeht und wir im kommenden Jahr wieder auf die Reise gehen und bei der nächsten Station neue Dinge erleben und erlernen können.

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