(Foto: Fabian Franke)

Lebenslanges Lernen – ein Konzept macht Schule in Ecuador

Gabriel

Ein Beitrag von Fabian Franke, der in der 9. Ausgabe von entgrenzt erschienen ist.

Dieser Artikel ist eine reportageartige Beschreibung der Erlebnisse meiner Zeit in Ecuador. Er erhebt keinen Anspruch auf Objektivität und allumfassende Wiedergabe aller Facetten dieses Landes. Es können nur subjektiv wahrgenommene Ausschnitte präsentiert werden – verknüpft mit einigen Informationen.

Quito in Ecuador (Foto: Fabian Franke)

Quito in Ecuador (Foto: Fabian Franke)

Gabriel

„Hola mi querido Fabián!“ ruft mir Gabriel entgegen, als ich durch die automatische Schiebetür gehe, die den staatenlosen Flughafenbereich vom Boden meiner neuen temporären Heimat Ecuador trennt. Der herzliche Empfang lässt mich für einen kurzen Moment die Strapazen der Reise vergessen. Als wir im Auto sitzen und durch den Feierabendverkehr von Quito fahren, werden meine Glieder jedoch wieder schwerer und meine Zunge bleiern. Ich bin überwältigt von der Größe der Stadt, dem Verkehr, den Menschen, die zwischen den Autos mit einem Kind auf dem Rücken Mandarinen verkaufen, von den Polizisten, die mit Motocross-Maschinen die Autokolonnen versuchen in geregelte Bahnen zu lenken.

Gabriel ist mein Kontaktmann hier und hat für mich ein neues Einsatzprojekt organisiert, nachdem seine eigene Organisation die Arbeit aufgeben musste. Ich bin Teilnehmer des ASA-Programms, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert wird. In Vorbereitungsseminaren wurden wir in Gruppen auf unsere Auslandseinsätze oder -austausche vorbereitet. Dabei gibt es nicht nur Projekte in südamerikanischen, sondern auch in afrikanischen, asiatischen und südosteuropäischen Staaten. Von der Einstellung, dass wir in dem Gastland „etwas verändern“ oder „helfen“ könnten, hat man uns ganz am Anfang schon heruntergeholt: wer mit der Manier des wohlhabenden und altruistischen Westeuropäers in eine durch unser Wirtschaftssystem gegeißelte Region geht, um dort zu „helfen“, lacht der einheimischen Bevölkerung mit Hohn ins Gesicht und hat noch nichts von Dependenztheorie und Post-Kolonialismus gehört. Vielmehr steht im selbst- und entwicklungshilfekritischen ASA-Programm das Empowerment im Vordergrund, Hilfe zur Selbsthilfe und eine Veränderung im eigenen Land, wo sie oft viel nötiger wäre.

Nun sitze ich in Gabriels kleinem roten Ford und würde ihm gerne meine Dankbarkeit und Nervosität mitteilen – kriege jedoch nur Floskeln und Zeichensprache heraus. Ich bin zu müde, zu nervös, zu unsicher. Schon morgen will er mich mit der Frau bekanntmachen, die für die nächsten drei Monate meine Chefin sein wird. Werde ich den Aufgaben gewachsen sein? Was werden überhaupt meine Aufgaben sein? Wie läuft die Arbeit ab? Draußen ziehen die grasbedeckten Hügel des westlichen Randes von Quito vorbei. Über zwei Millionen Einwohner sind hier auf eine ungewöhnliche Stadtgeographie verteilt: das Tal erlaubt eine maximale Ausdehnung von nur drei Kilometern in der Breite, dafür ist die Stadt etwa 30 Kilometer lang. Eingerahmt von den knapp 4700m hohen Hausbergen Rucu und Guagua Pichincha werde ich die nächste Zeit hier arbeiten, auf 3000m Höhe und mitten im Zentrum.

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