(Foto: Fabian Franke)

Lebenslanges Lernen – ein Konzept macht Schule in Ecuador

Dolores

Dolores

„IRFEYAL – Instituto Radiofónico Fe y Alegria“ (Radioinstitut Glaube und Freude) steht an dem roten Backsteingebäude mit Flachdach. Mir fällt sofort eine riesige Satellitenschüssel an der rechten Seite des Gebäudes auf. „Komm, wir können schon hoch gehen!“ sagt Gabriel, der seine Mittagspause geopfert hat, um mir meine Arbeitsstelle zu zeigen und eventuell auch zu dolmetschen. Er weiß durch Skype- und Emailkontakt in den vergangenen Wochen viel von mir – meine zukünftige Chefin habe ich noch nie gesprochen. Zwar bin ich ruhiger als bei meiner Ankunft, das Umschalten im Kopf zu einem neuen Lebensraum und der neuen Sprache geht trotzdem nur langsam. Ich bin froh, dass er dabei ist. Durch ein paar Gänge mit gefliestem Boden erreichen wir eine braune Metalltür, die sich quietschend öffnet. Vor einer Wand, an der dutzende Kleidungsstücke in diversen Farben und Formen aufgehängt sind, sitzt eine Frau von etwa 40 Jahren, die Ruhe und Professionalität ausstrahlt. Als wir den Raum betreten, steht sie lächelnd auf und kommt uns entgegen: „Hallo, Du musst Fabian sein! Ich bin Dolores“, sagt sie und begrüßt mich und Gabriel herzlich.

Das Hauptbüro von IRFEYAL in Quito (Foto: Fabian Franke)

Das Hauptbüro von IRFEYAL in Quito (Foto: Fabian Franke)

IRFEYAL ist eine Bildungseinrichtung der Organisation Fe y Alegria die von José María Vélaz 1955 in Venezuela gegründet wurde und sich seither für integrative Bildung nach jesuitischer Tradition in Zentral- und Südamerika einsetzt. Mit knapp 1,5 Millionen (2013) registrierten SchülerInnen in 20 Ländern ist Fe y Alegria eine der größten privaten und nicht-gewinnorientierten Bildungseinrichtungen des Kontinents. In Ecuador gewann die Bewegung Mitte der sechziger Jahre an Bedeutung, woraufhin das Radioinstitut im Jahr 1974 in Quito errichtet wurde. Mit dem Konzept des Fernunterrichts zielen die angebotenen Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten vor allem auf Jugendliche und Erwachsene ab, die so die Möglichkeit bekommen, einen Abschluss nachzuholen oder einen handwerklichen Beruf zu erlernen. Dabei findet der Unterricht an Wochentagen ab 17 Uhr über das Radio statt, indem vorher aufgezeichnete Lektionen nach einem festen Stundenplan landesweit gesendet werden. Am Wochenende müssen die SchülerInnen zwei Tage den Präsenzunterricht in einer Bildungsstätte von IRFEYAL besuchen, von denen es mehr als 100 im ganzen Land gibt. Ziel ist, Bildung auch in den entlegenen Teilen des Landes zu ermöglichen und edukative Gleichheit dort zu schaffen, wo der Staat nicht genügend Ressourcen aufbringen kann oder gänzlich versagt. Diese Chancengleichheit ist oberstes Ziel von vielen nicht-staatlichen Einrichtungen, die sich die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation Ecuadors zur Aufgabe gemacht haben.

Dolores, die mich nach einem zweistündigen Gespräch durch die Räumlichkeiten des Hauptbüros in Quito führt und mit den fast 40 MitarbeiterInnen vertraut macht, ist die Leiterin der Projektabteilung. Sie ist vor allem für Finanzierung, Organisation, Außenwirkung und neue Unterprojekte verantwortlich. „Das hier ist die Druckerei!“ schreit sie gegen den Lärm von riesigen Druckmaschinen an, als sie die Tür zu dem nur etwa 60 Quadratmeter großen Raum öffnet. Beißender Geruch von Farbe und Lösungsmitteln steigt mir in die Nase, der Lärm macht ein Gespräch fast unmöglich, weswegen ich die Namen der drei Druckereimitarbeiter erst in der Mittagspause erfahren werde. Hier wird also Bildung hergestellt, denke ich. Im Sekundentakt spucken die Maschinen stapelweise Schulbücher aus: Handwerksbildung, Mathe, Englisch, Erziehung. Geballtes Wissen auf weißem Papier, das darauf wartet, das Land und die Köpfe der EcuadorianerInnen zu erobern.

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